„Europa ist der Beweis, dass man Frieden lernen kann“

Austausch zum Thema Sicherheit und Krisenprävention im Bayerischen Landtag

„Ein Netzwerk von Professorinnen und Professoren bayerischer Universitäten hat kürzlich die Bayerische Wissenschaftsallianz für Frieden, Konflikt und Sicherheit gegründet. Der Freistaat hat Unterstützung zugesagt und im Haushalt zwei wissenschaftliche Stellen bewilligt, die helfen sollen, ein Institut zu gründen und damit die bayerische Friedens- und Konfliktforschung zu stärken.“ Mit dieser Erfolgsmeldung konnte ich die Besucher*innen der Veranstaltung „Wissenschaft trifft Politik: Sicherheit durch Krisenprävention“ begrüßen, zu der ich am 26. Mai in den Bayerischen Landtag eingeladen habe.

Seit Beginn der Legislaturperiode habe ich mich als friedenspolitische Sprecherin der Grünen darum bemüht, unterstützend mitzuwirken, um ein solches Forschungsinstitut ins Leben zu rufen, damit Bayern nicht mehr länger ein weißer Fleck auf der Landkarte der Friedens- und Konfliktforschung bleibt. Die Allianz teilt das Ziel bereits bestehender, renommierter Forschungsinstitute in anderen Bundesländern, mit Analysen, Erkenntnissen und Empfehlungen in Politik und Gesellschaft hineinzuwirken. "Angesichts des russischen Krieges Putins gegen die Ukraine und angesichts der Tatsache, dass Bayern ein führender Standort deutscher Rüstungsunternehmen ist, sollte Bayern sich dieser Aufgabe und Verantwortung stellen!"

Zum Thema Krisenprävention verwies ich auf das außen- und sicherheitspolitische Konzept für ein „integriertes Friedensengagement“, das das Auswärtige Amt im Dezember herausgegeben hat. Hier zeigt sich anhand vieler Beispiele, wie friedenspolitisches Engagement in der Praxis konkret aussieht. Stärkung von Staatlichkeit, Verbesserung der Lebensgrundlagen, Demokratieförderung – es gibt in zahlreichen Ländern viele Aktivitäten, die in der Medienberichterstattung allerdings meist nur wenig vorkommen.

Die Hauptrednerin Hannah Neumann verkörpert das Motto der Veranstaltung „Wissenschaft trifft Politik“ in idealer Weise: Die promovierte Friedens- und Konfliktforscherin hat früher unter anderem an Forschungsprojekten zu Friedensmissionen der VN gearbeitet, als Europa-Abgeordnete der Grünen ist sie heute Mitglied im Ausschuss für Sicherheits- und Verteidigungspolitik und Vizevorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte im Europäischen Parlament.

Sie erinnerte daran, dass im EU-Vertrag Prävention explizit als Ziel europäischer Außenpolitik festgeschrieben ist („Frieden zu erhalten, Konflikte zu verhüten und die internationale Sicherheit zu stärken“, Artikel 21.2). Und sie zeigte sich überzeugt: „Die Europäische Union ist der Beweis, dass man Frieden lernen kann.“ Dies stelle sie immer wieder fest, gerade wenn sie in Regionen wie dem Nahen oder Mittleren Osten, Südostasien oder Westafrika unterwegs ist, die eine Geschichte von immer wiederkehrenden kriegerischen Auseinandersetzungen haben. Andererseits sei auch zu sehen, dass in Europa nicht alles immer friedlicher, toleranter und weltoffener werde. Frieden bleibe ein kontinuierlicher Lernprozess, so die Wissenschaftlerin / Politikerin. Dies zeigt auch aktuell das Beispiel Kosovo, wo es kürzlich zu Gewaltexzessen gegen KFOR-Kräfte kam.

Bayern müsste 20 Polizeikräfte für internationale Einsätze bereithalten

Konflikte bringen die Gesellschaft voran, so Neumann – es komme aber darauf an, sie friedlich auszutragen. Wo das nicht gelingt, drohen Eskalation, Gewaltausbrüche und Krisen. Dem müsse präventiv begegnet werden. Auf der Webseite des Europäischen Auswärtigen Dienstes lasse sich nachvollziehen, welche Friedensmissionen und Projekte die EU hierzu konkret finanziert. Ein Problem seien jedoch fehlende personelle Ressourcen – insbesondere bei der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, den GSVP-Missionen, Justizreform- oder Mediationseinsätzen. Denn kurz gesagt: Krisenprävention funktioniert nur, wenn man die Leute dazu hat. Für den internationalen Einsatz deutscher Polizeikräfte – derzeit sind nur etwa 60 Beamt*innen in 13 Missionen unterwegs – müsse ein Land wie Bayern 20 Polizist*innen in der Rotation haben, rechnete die Europa-Abgeordnete vor. Doch jedes Mal müsse man die Länder eigens darum bitten. Ein weiteres Problem seien fehlende Finanzen. Angesichts des massiven Aufwuchses im militärischen Bereich dürften die Mittel für den zivilen Bereich nicht weiter absinken, andernfalls sei der integrierte Ansatz gefährdet, so Neumann.

An Putins kriegerischem Angriff gegen die Ukraine zeige sich: „In den Konflikt gehen, kann manchmal Krisenprävention sein.“ So richtig es jetzt ist, Waffen zu liefern, so wichtig ist es, dass gleichzeitig auch anderes – vorausschauend und präventiv – passiert, etwa die Dokumentation und Verurteilung von Kriegsverbrechen noch während der Krieg andauert. Hannah Neumann betonte, die Ukraine sei das erste und einzige Land der Welt, das seine Atomwaffen abgegeben hat – für eine russische und eine westliche Sicherheitsgarantie. Ihr persönlicher Pazifismus sei „die Stärke des Rechts“. Diese Stärke sorge dafür, dass man sich nicht mehr bewaffnen muss, sondern darauf vertraut, dass auch die anderen sich an die Regeln halten. Und dass es Sanktionen gibt, falls nicht. Deshalb gelte, so absurd es klingen mag: „Waffenlieferungen sind langfristig friedensstiftend.“

Die Sicherheit eines jeden Menschen ist gleich wichtig

Im Anschluss an den Vortrag saßen mit den Politikerinnen Hannah Neumann und mir zwei Vertreter*innen der Wissenschaft auf dem Podium: Prof. Dr. Jana Hönke, Inhaberin des Lehrstuhls für Soziologie in Afrika an der Universität Bayreuth und Leiterin des Bayreuther Teils des interdisziplinären Forschungsprojekts „Deutungskämpfe im Übergang“, welches mit 30 Beteiligten das regionale Zentrum für Friedens- und Konfliktforschung in Bayern begründet hat; sowie Prof. Dr. Stephan Stetter, Professor für Internationale Politik und Konfliktforschung an der Universität der Bundeswehr München. Er hat das Netzwerk zur Stärkung der Friedens- und Konfliktforschung in Bayern von Anfang maßgeblich mitgetragen. Beide berichteten von ihren Forschungsprojekten und -ansätzen und äußerten sich zu komplexen Themen wie der Reformbedürftigkeit von UN und EU, einer gemeinsamen Beschaffung der europäischen Länder im militärischen Bereich, wünschenswerten Partnerschaften auf Augenhöhe mit dem globalen Süden oder auch den Gefahren einer neuen Blockbildung China vs. westliche Welt.

Auch aus dem Publikum kamen engagierte Wortbeiträge, die unter anderem verbale Abrüstung anmahnten, die Unabdingbarkeit von Militär in Zweifel zogen, an Konfliktrisiken wie die zunehmende Erderwärmung erinnerten oder auch fragten, wie eine europäische Friedensordnung der Zukunft aussehen könnte. Wenn wir über Sicherheit reden, müsse man fragen, an wessen Sicherheit denken wir? Für unsere Stabilität nehmen wir manchmal in Kauf, dass Menschen woanders nicht so sicher sind, lautete ein selbstkritisches Eingeständnis. Als Konsens stand deshalb am Schluss die Maxime: Die Sicherheit eines jeden Menschen ist gleich wichtig. 

 

 

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